Peter Berling

Wir trauern um Peter Berling

Peter Berling, ein Grandseigneur der deutschen Literatur, hat sich am Nachmittag des 21. Novembers mit 83 Jahren von der Bühne des Lebens verabschiedet.

Wir trauern um einen Menschen, dessen schillernde Persönlichkeit und dessen Kreativität uns immer wieder beeindruckte. Peter Berling lebte drei Leben: Er war Schauspieler, Produzent und Schriftsteller.

Früh schon zeigte sich, dass Peter Berling sich nicht auf eine einzige Rolle in seinem Leben beschränken würde – zwar stellten bereits seine Lehrer am renommierten Internat Birklehof fest, dass in ihm eine besonders kreative Ader pochte, der Schüler galt jedoch als schwer lenkbar. Was ihn damals bereits fesselte, waren seine zeichnerische Begabung und das Fach Geschichte. Ein Ausblick auf das spätere Leben? Wer weiß. Nach den Internatsjahren folgte eine Maurerlehre, ein Zwischenstopp am Oskar von Miller-Gymnasium, bis er sich kurzerhand in der Akademie der bildenden Künste für „Angewandte Grafik“ einschrieb. Neben seinem Studium betätigte sich Peter Berling als Designer für Werbebroschüren, aber auch für die Ausgestaltung von Nachtclubs, Jazzlokalen und anderen Bohème-Orten des zeitgenössischen Münchens. Nicht nur zur Finanzierung, sondern auch aus purer Abenteuer- und Lebenslust arbeitete er als Reiseleiter. Als ein eindrucksvolles literarisches Zeugnis dieser Jahre gilt sein episches Memoir Hazard & Lieblos (2011, Hoffmann & Campe), zu dessen Premierenvorstellung in München sich die Prominenz der Buch- und Filmwelt die Klinke in die Hand gab.

1960 kam es zu einer einschneidenden Begegnung mit Alexander Kluge, die Peter Berlings Leben für die nächsten Jahre prägen sollte. Die bunte, faszinierende Welt des Films fing den jungen Kreativen ein, Peter Berling wurde mit gerade einmal 24 Jahren einer der jüngsten Produzenten Deutschlands. Er produzierte die mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Erstlingsfilme von Klaus Lemke, Günter Lemmer und Alexander Kluge, allesamt Hoffnungen des Jungen Deutschen Films.

Sieben Jahre sollte es dauern, bis der erste eigene Spielfilm, Negresco**** – Eine tödliche Affäre, unter der Regie von Klaus Lemke, auf die Leinwand kam. Auch wenn diese Produktion nicht den gewünschten kommerziellen Erfolg einbrachte, griff Peter Berling weiter nach den Sternen. Er arbeitete – mal mehr und auch mal weniger erfolgreich – mit Schauspielern wie Brigitte Bardot, Orson Welles, Claudia Cardinale und Mario Adorf zusammen.

Bald beteiligte er sich an einem Unternehmen für Konzert- und Theatervorstellungen, und, als wäre das alles noch nicht genug, als Theateragent für Künstler wie Gilbert Bécaud, Dave Brubeck oder Charles Aznavour. In dieser Zeit gründete er auch mit Eberhard Radisch den Acquis Musikverlag. 1969 setzte sich Peter Berling dann nach Rom ab.

Statt sich aber aus dem Konzept bringen zu lassen, begann Peter Berling seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Werner Schroeter und Rainer Werner Fassbinder, als dessen Produzent er sich rasch entwickelte. Auch jetzt hielt Peter Berling nicht inne. Vom Produzentenstuhl aus verwirklichte er Filme, vor der Kamera lebte er sich als Schauspieler aus. Er wirkte in über 130 Filmen als Darsteller mit, darunter neben Klaus Kinski in Aguirre, der Zorn Gottes, neben Sean Connery in Der Name der Rose sowie in dem mit einem Oscar preisgekrönten Film Sehnsucht nach Afrika und zuletzt in Gangs of New York von Martin Scorsese.

Diese überaus produktiven Jahre beim Film, die auch die für Peter Berling persönlich wichtigen Werke Il Regno di Napoli von Werner Schroeter und Prova d’Orchestra von Federico Fellini hervorgebracht haben, endeten 1982 plötzlich mit dem überraschenden Tod von Rainer Werner Fassbinder. Für Peter Berling ein Schicksalsschlag. Zwar folgten noch einige filmische Arbeiten, dennoch markierte Fassbinders Tod eine Wende – Peter Berling wusste, dass es Zeit für einen Neuanfang war.

In Rom, in der „Ewigen Stadt“, zu der er übrigens ein zwiegespaltenes Verhältnis hegte, begann er sein drittes Leben als Schriftsteller. „Schreiben kann ich nicht“, sagte Peter Berling dem Herausgeber der Filmzeitschrift Cinema, doch diese Behauptung hielt nicht lange Stand. Mit seinen Romanen über die Kreuzzüge bewies er schnell das Gegenteil. Seine Bücher erreichten Millionenauflagen und wurden in über 20 Sprachen übersetzt. Auch in Frankreich und Spanien erklomm er die Bestsellerlisten. In seinem unnachahmlichen Stil ließ seine inzwischen zum Expertenwissen angewachsenen Kenntnisse über das Hohe Mittelalter – wir erinnern uns an die Begeisterung des Schülers Peter Berling für das Fach „Geschichte“ - in große Epen einfließen. Seine historischen Romane, darunter sein Meisterwerk, das monumentale, fünfbändige Kreuzzug-Epos Die Kinder des Gral, werden bis heute gelesen.

Aber damit nicht genug. Wer zu später Stunde fernsah, begegnete mindestens einmal im Monat auf ganz unterschiedlichen Sendern einem sehr eloquenten Peter Berling. In immer neuen Rollen trat er auf – verkleidet als Dompteur, Archäologe, General, Zirkusdirektor – um während des Interviews durch Alexander Kluge sehr überzeugend und scheinbar fachkundig von fremden Erlebnis- und Erfahrungswelten zu berichten, die er sich sehr spontan in seiner Vorstellung ausdachte. Die über 250 „phantastischen“ TV-Interviews in facts & fakes bei Alexander Kluge, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, sind mittlerweile Kult.

Verdienterweise wurde Peter Berling im Jahr 2000 für sein künstlerisches Schaffen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Und immer wieder kehrte Peter Berling zu jener Zeit zurück, die ihn eingefangen hatte – selbst in seinem zuletzt veröffentlichten Roman Der Chauffeur (2014, Europa Verlag) blieb Peter Berling seinem Sujet treu: dieser letzte Roman ist ein literarisches Burlesque-Stück, in dem der Grandseigneur des Literaturbetriebs noch einmal zu Hochform auflief: Aus der Perspektive eines einfachen Chauffeurs lieferte er einen intensiven Blick in die höchsten Kreise des Dritten Reiches, in die Welt des Aberglaubens, der Astrologie und der Umtrieb um den Gralsforscher Otto Rahn – das Hohe Mittelalter konnte er aus vielen Blickwinkeln erzählen. 

Seine Romane schrieb Peter Berling im römischen Trastevere, wo er Nacht für Nacht, „wenn das Telefon schweigt“, seine Manuskripte handschriftlich zu Papier brachte. So arbeitete er, der ewig Junggeselle gebliebene Charmeur mit dem liebevoll ruppigen Augenzwinkern bis zuletzt trotz schwerer Krankheit als Autor an seinem nächsten Roman, getreu dem Motto: „Kein Ende ist in Sicht.“

Mit Peter Berling, dessen Lebensmotto „nec spe nec metu“ lautete,  ist ein „uomo universale“ (ZEIT, Ijoma Mangold, 2012) aus der Welt geschieden. Der Platz in seinem geliebten römischen Stammlokal, wo er fast jeden Abend für mehr als drei Jahrzehnte anzutreffen war, wird nun für immer leer und dennoch eine feste Erinnerung an ihn bleiben.

Wir, die mit ihm gearbeitet, die bei Speis und Trank in langen Nächten voller Geschichten mit ihm das Leben gefeiert haben, werden ihn schmerzlich vermissen